Geboren 1969 in NRW
Studium der Bildenden Kunst und Romanistik in Deutschland und Frankreich
Lebt seit 1999 in Berlin
Katharina Jester über die Bilder von Annette Brosch
Es muss ein blütenreicher Sommer gewesen sein, der Sommer 1969, als Annette auf die Welt kam.
Wie anders lassen sich die intensiven Farben auf ihren meist großformatigen, abstrakt-expressiven Bildern erklären?
Ihr Studium der Bildenden Kunst kann sie nur darin bestärkt haben.
Wer die Wahlberlinerin kennt, weiß: Sie lebt die Farben ihrer Bilder.
So stehen auch im Mittelpunkt ihrer Malerei Komposition und Farbe und lassen Motive wie Körper oder Gefäße als ergänzende Fragmente erscheinen.
Die Bilder entstehen meist prozesshaft und wirken positiv und kraftvoll wie sie selbst.
Leidenschaftlich widmet sie sich nicht nur der Malerei, sondern auch ihren intensiven Freundschaften, immer wieder Frankreich und der französischen Sprache sowie der asiatischen Welt.
Prof. Dr. Friedmar Apel über die Bilder von Annette Brosch
Kunst macht sichtbar
Paul Klees Grundsatz seiner schöpferischen Konfession, „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“, wirft nach dem Überschwang, mit dem der Cyberspace besetzt wurde, die Frage nach den Bedingungen der Wahrnehmung des Sichtbaren noch einmal ganz neu auf. Die Virtualisierung der Gegenständlichkeit der Welt scheint bei vielen die Illusion genährt zu haben, dies könne auf dem Bildschirm verstanden oder gar erzeugt werden. Solche Verschmelzungsphantasien aber haben weder das Verständnis des Bildlichen noch das der Lebenswelt befördert, weil sie die kritische Distanz aufgelöst haben, aus der allein alles Bildliche selbst als Bild, als Metapher erkennbar ist.
Annette Broschs Bilder dagegen reagieren immer erneut auf die Einsicht, dass ein Bild dem Auge wie dem Bewusstsein nicht anders zugänglich ist, als die anderen Gegenstände der umgebenden Welt. Sie geben dem Betrachter nicht nur etwas zu sehen, sondern fragen aus sich heraus immer nach den Bedingungen, unter denen sich in einem Bild etwas als sichtbar konstituiert. Deshalb erscheinen immer wieder Bilder auf ihren Bildern, die sich in ihrem Gemaltsein als Produkt und Spur individueller menschlicher, nämlich ihrer Arbeit zu erkennen geben. Das Pastose und die Spuren verlaufender Farbe weisen unmissverständlich darauf hin. Aber auch wo Bilder nicht als solche erscheinen, wird der Betrachter in den Zustand einer Aufmerksamkeit versetzt, mit der er etwas sieht und ihm Bedeutung gibt, zugleich aber erkennt, dass ein Bild vor allem aus farbigen Flächen besteht, aus Elementen, die für sich nichts bedeuten, in ihrer Konfiguration und im Kontext dem Betrachter aber die Geformtheit und Formbarkeit der Welt vor Augen führen.
Die bequeme Unterscheidung zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit geht vor Annette Broschs Bildern zuschanden. Sie malt abstrakt, insofern sie den Anblick der Dinge auf Grundformen rückführt und zugleich konkret, indem sie die Wahrnehmung von Gegenständen als immer und immer von neuem gefährdete Bedingung der menschlichen Orientierung der Welt darstellt. Ganz entsprechend ist ihre Verfahrensweise zugleich traditionell und transgressiv. So lassen sich überkommen Genres bis hin zum scheinbar gemütvollen Stillleben erkennen, aber diese Genres werden im dynamischen malerischen Akt zur Darstellung einer grundsätzlichen Differenz zur wiedererkennbaren Realität der Gegenstände überschritten. Auf ihren Bildern erscheinen zwar Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, da ist ein Becher ein Becher, und der Natur wie eh und je, eine Blume ist da eine Blume, aber zugleich erscheinen diese Dinge als reine Konfiguration von Farbe und Form, die nur einmal und nur auf dieser Leinwand da ist, nur hier vor dem Bild im selbst kreativen Akt des Sehens realisiert werden kann.
Die menschliche Gestalt erscheint nach wie vor als der würdigste Gegenstand der Kunst, aber im abtrennenden, grotesken Blick auf die Körperteile steht diese Würde zugleich grundsätzlich in Frage. Nicht zufällig sind es die Füße, die Annette Brosch immer wieder interessieren. Zum Straucheln braucht es nichts als Füße, sagt Kleist. Sie erinnern den Betrachter an sein fragiles Dasein auf dieser Welt und werden ihm zugleich zum Zeichen seiner Angewiesenheit auf die Wahrnehmung des anderen, zum Zeichen seines Mitseins.
Mit der Verwendung von Schriftzeichen als Bildzeichen verweist Annette Brosch auf die Verbindung des Rätsels der Sichtbarkeit mit dem der Lesbarkeit, mit jenem nie ganz und in der Moderne wohl immer weniger zu befriedigenden Anspruch, die Welt möge sich als eine sinnvolle und am besten auch noch gute und schöne, vital farbige und vielfältige Ganzheit darstellen. Immer wieder aber gestaltet Annette Brosch in der Überlagerung von Farbflächen ein Zugleich des Zeigens und Verbergens, ihre Bilder inszenieren beinahe schon ungeniert das Schöne und Bunte und doch sperren sie sich gegen regressive Verschmelzungswünsche und gegen die Illusion einer Allerzeugbarkeit.
Indem Annette Broschs Bilder den Betrachter mit malerischen Mitteln auf seine Aufmerksamkeit selbst aufmerksam machen, indem sie zeigen, dass Bilder Metaphern sind und doch zugleich nur da in der Präsenz, leisten sie einen so attraktiven wie kritischen Beitrag zu einer mehr denn je in der Neuzeit bedrohten Kultur des Auges.